Entwurf der Rahmenvorgabe und Unterrichtsvorgabe für das Fach Deutsche Gebärdensprache in NRW

Samstag, 27. Januar 2024 | Stellungnahme

Der Deutsche Fachverband für Gehörlosen- und Schwerhörigenpädagogik e.V. (DFGS) fördert die Erziehung, Bildung und Rehabilitation tauber, schwerhöriger und ertaubter Menschen. Besonderer Schwerpunkt ist dabei die bimodal-bilinguale Bildung unter Berücksichtigung der Deutschen Gebärdensprache (DGS). Hierzu gehören auch die Etablierung und Anerkennung des Unterrichtsfaches DGS. Das Recht auf Gebärdensprache in der Bildung wurde bereits 2009 durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben. 

Der DFGS begrüßt von daher, dass NRW mit den Entwürfen zur Rahmenvorgabe und Unterrichtsvorgabe für das Fach Deutsche Gebärdensprache den „Empfehlungen zu curricularen Vorgaben eines kompetenzorientierten Wahlpflicht- oder Wahlfaches `Deutsche Gebärdensprache (DGS)` für die Sekundarstufe I“ der KMK von 2021 folgt. 

Bilinguale Schulversuche, die bereits in den 1990er Jahren in Deutschland gestartet sind, und inzwischen etablierte bilinguale Schulkonzepte in mehreren Bundesländern zeigen, dass ein zweisprachiger Unterricht – mit Deutsch und DGS – zu einem erheblichen Lernzuwachs führt, eine allgemeine altersgemäße Entwicklung ermöglicht und einer möglichen sprachlichen Deprivation entgegenwirkt. DGS als Unterrichtsfach war in diesen Konzepten immer ein wesentlicher Bestandteil und wurde somit an mehreren Standorten auf der Grundlage schulischer DGS-Curri-cula inzwischen über 25 Jahre erprobt, evaluiert und weiterentwickelt. Eine bimodal-bilinguale Bildung unter Einbezug von DGS als Unterrichtfach bietet somit allen tauben und schwerhörigen Schüler:innen die Perspektive für eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im berufli-chen, kulturellen, politischen und im freizeitbezogenen Kontext. 

Die Erarbeitung und Umsetzung curricularer Vorgaben und Einbindung in die Stundentafel in weiteren Bundesländern, hier in NRW, stellen damit für gebärdensprachorientierte Schüler:innen einen Zugang zu ihrer Erstsprache DGS sicher, auf deren Grundlage eine Bildung auf einem qualitativ hohen Niveau ermöglicht werden kann. Die Unterrichtsstandards sollten vergleichbar zu denen anderer Sprachenfächer sein. 

Auch für Zweitsprachenlernende mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation sowie für hörende Fremdsprachenlernende eröffnet ein qualitativ umfassendes Curriculum die Möglichkeit, DGS als Zweit- oder Fremdsprache auf einem hohen Niveau zu erlernen. 

Der im November 2023 vorgestellte Entwurf zur Unterrichtsvorgabe Deutsche Gebärdensprache in NRW erfüllt die geforderten hohen Standards in hervorragender Weise und kann im bundes-weiten Vergleich in vielen Punkten als sehr fortschrittlich angesehen werden: 

  • Hervorzuheben sind die konkreten Beschreibungen der einzelnen Teilbereiche der funktional kommunikativen Kompetenzen, die eine konkrete Einschätzung der Kompetenzen der Schüler:innen ermöglichen. 
  • Des Weiteren ist positiv zu betonen, dass jede der Niveaustufen (1-5) mit einer Beschreibung begleitet wird, auf welchem Referenzniveau von GeR die jeweilige Niveaustufe entspricht. Dies ermöglicht eine Vergleichbarkeit der Kompetenzeinschätzung von Schüler:innen auch aus anderen Bundesländern. 
  • Die fachlichen Konkretisierungen bei transkulturellen kommunikativen Kompetenzen und bei Medien- und Gebärdensprachtextkompetenzen verweisen in vorbildhafter Form auf konkrete Beispiele und entsprechenden Textsorten der jeweiligen Niveaustufen. 
  • Die Begrifflichkeit Taube Menschen / Taube Kinder und Jugendliche (S. 8) berücksichtigt erstmals die in der Deafcommunity verbreitet benutzte, positive Eigenzuschreibung. Auch andere Begriffe wie Audismus oder Phonozentrismus – die im Glossar erklärt werden – sind wichtige Umschreibungen, die in den Schulen mit dem Schwerpunkt Hören und Kommunikation in den Diskurs kommen müssen. Der DFGS unterstützt ausdrücklich, sich da-mit in der Bildung tauber und schwerhöriger Kinder und Jugendlicher auseinanderzuset-zen. 

Der DFGS empfiehlt, die Rahmenvorgabe und die Unterrichtsvorgabe DGS in NRW zügig für Schüler:innen mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation umzusetzen. Das Unterrichtsfach sollte vergleichbar zu anderen Sprachen unterrichtet bzw. angeboten werden, um die Grundlage für einen nächsten Schritt, der Anerkennung von DGS für Schulabschlüsse, zu setzen. Taube und schwerhörige Schüler:innen würden damit eine Wertschätzung ihrer Sprache DGS erfahren. 

Die partizipativen Möglichkeiten für taube und schwerhörige Lehrkräfte bzw. Lehrende sollten ausgenutzt und weiter ausgebaut werden. Hierdurch stehen tauben und schwerhörigen Schüler:innen Identifikationspersonen zur Verfügung, die auf der Grundlage eines Austausches eigener Erfahrungen, Lebenswelt und Kultur ein selbstbewusstes Auftreten und ein Empowerment für taube und schwerhörige Schüler:innen am besten ermöglichen können. 

Dies gilt sowohl für die Förderschulen Hören und Kommunikation als auch in der inklusiven Beschulung. Hier sollten darüber hinaus auch Angebote für Schüler:innen, die DGS als Fremdsprache erlernen wollen, bereitgestellt werden. Der vorliegende Entwurf stellt eine gute Grundlage auch hierfür bereit.